Magische Momente in der Jury: Ein Insider-Blick

Die Zeit verfliegt regelrecht, wenn die Jury beim Jugend präsentiert-Finale die Bundessieger*in kürt. Im kleinen Jury-Raum neben der großen Bühne werden hektisch Zahlen addiert, Argumente ausgetauscht, mögliche Platzierungen vorgeschlagen und wieder verworfen – bis dann am Ende feststeht, an wen der Bundessieg im Wettbewerb Jugend präsentiert geht. Aber worauf achtet die Jury eigentlich, wenn sie sich berät? Wird da nur argumentiert oder auch gestritten? Heute will ich als Jurypräsident mal den Schleier über der Jury-Arbeit bei Jugend präsentiert lüften. Jede Schülerin und jeder Schüler, die bei uns mitmachen, haben sich vermutlich schon einmal gefragt, wie die Jury eigentlich zu ihren Entscheidungen kommt, worauf sie achtet und was ihr wichtig ist. Für den Jugend präsentiert-Wettbewerb spielt die Arbeit der Jury eine zentrale Rolle. Wir sind allen Lehrer*innen, Wissenschaftler*innen und ehemaligen Teilnehmer*innen, die sich in der Jury engagieren, sehr dankbar für ihren Einsatz, ohne den unser Wettbewerb gar nicht funktionieren könnte. Damit die Entscheidungen der Jury gerecht sind, legen wir bei Jugend präsentiert sehr viel Wert auf die Qualifikation und Schulung unserer Juror*innen. Unsere Jurymitglieder lernen die Bewertungskriterien von Jugend präsentiert in Trainings und speziellen Schulungen genau kennen, schauen sich Beispielpräsentationen an, um ein Gefühl für unser Punktesystem zu gewinnen und den Schüler*innen im Finale ein produktives Feedback geben zu können.

Juryarbeit

Wenn man sich fragt, was eigentlich eine gute Präsentation ausmacht, wird man schnell erkennen, dass dies von vielen Faktoren abhängig ist: Kann sie inhaltlich überzeugen, ist sie gut vorgetragen, erreicht sie die Zuhörer*innen? Es sind hunderte Stellschrauben, an denen man drehen kann: Eine gute Gliederung ist genauso wichtig wie eine klare und verständliche Sprache, anschauliche Beispiele, überzeugender Einsatz von Körper und Stimme – und dann ist natürlich auch die Gestaltung der Präsentationsfolien ein wichtiger Faktor. Es ist also gar nicht leicht, einen Überblick zu behalten. Wissenschaftlich gesehen ist es trotzdem wichtig, analytisch klar an die Sache zu gehen. Als Forscher im Bereich der Rhetorik an der Universität Tübingen gehe ich zunächst mal ganz kühl davon aus, dass die Wirkung einer Präsentation (oder auch einer Rede) immer das Ergebnis von beobachtbarem Verhalten ist. Unsere Studierenden in Tübingen müssen deshalb auch zunächst mal lernen, bei Texten und Reden ganz genau hinzusehen und gut zu beobachten, um verbale und nonverbale Strukturen zu erkennen und dann in ihrer Wirkung zu analysieren. In den Jury-Schulungen bei Jugend präsentiert ist es deshalb auch ein wichtiges Lernziel, genau hinzuschauen und sorgfältig zu beobachten. Wir fassen dabei die vielen Signale, die die Schüler*innen beim Präsentieren aussenden, in drei Cluster zusammen: Sachkenntnis, Darstellungsvermögen und Adressat*innenorientierung. Im Bereich Sachkenntnis ist es erstmal wichtig, ob alle dargebotenen Informationen wissenschaftlich haltbar sind, ob die Schüler*in einen eigenständigen Zugang zum Thema gefunden hat und eine Leitfrage klar strukturiert angeht. Beim Darstellungsvermögen kommt dann das gesamte Repertoire der Rhetorik zum Tragen. Es geht um die Gliederung der Präsentation, eine klare und anschauliche Form der sprachlichen Darstellung, aber auch um die Performanz auf der Bühne oder im Klassenzimmer und um die Gestaltung der Folien. Der dritte Bereich ist die Adressat*innenorientierung. Diese lässt sich vor allem aus der Perspektive von Schüler*innen einschätzen, denn die Präsentation im Unterricht soll kein Selbstzweck sein, sondern andere für ein Thema interessieren und wissenschaftliche Inhalte vermitteln. Dazu muss eine Präsentation Vorkenntnisse der anderen genauso berücksichtigen wie Themen, die die Mitschüler*innen umtreiben. Eine gute Rede und auch eine gute Präsentation ist entsprechend immer auf die Zuhörer*innen auszurichten – die Zuhörenden sind richtungsgebend. So kann man schon bei Aristoteles lesen, der vor 2500 Jahren ein erstes Lehrbuch zur Rhetorik verfasst hat.

Jury beim Finale

Insgesamt ist die Bewertung einer Präsentation also eine ziemlich komplexe Sache – und auch ein spannendes Forschungsfeld. So hat zum Beispiel Fabian Ruth, der seit vielen Jahren als Trainer bei Jugend präsentiert arbeitet und forscht, seine Doktorarbeit zur Frage geschrieben, wie sich Präsentationen bewerten lassen. Gibt es objektive Kriterien oder ist alles nur eine Geschmacksfrage? Die Antwort lautet: Ja, man kann die Bewertung von Präsentationen objektivieren. Im Kontext der Dissertation ist sogar ein eigenes Messinstrument entstanden, das sogenannte Tübinger Instrument für Präsentationskompetenz (TIP), das – gespeist aus Erfahrungen von Jugend präsentiert – eine große Lücke im Bereich der internationalen Präsentationsforschung gefüllt hat. Ein gutes Messinstrument für Präsentationskompetenz kann man übrigens sehr leicht erkennen: wenn ein Instrument eine gewisse objektive Gültigkeit haben soll, dann sollten unterschiedliche Juror*innen zu ähnlichen Bewertungen kommen, wenn sie ein Messinstrument anwenden, um eine Präsentation zu beurteilen – Inter-rater reliability nennt man das wissenschaftlich – und es ist Fabian Ruth und Jugend präsentiert gelungen, ein Instrumentarium zu entwickeln, bei dem diese Übereinstimmung sehr hoch ist, wenn man die Juror*innen entsprechend schult. Diese Übereinstimmung zwischen unterschiedlichen Menschen, die sich eine Präsentation anschauen, macht dabei auch die spezielle Magie der Jury-Arbeit aus. Trotzdem muss man besonders im Finale im kleinen Jury-Raum manchmal lange und intensiv diskutieren. Im Jugend präsentiert-Finale ist es wie beim Spitzensport, die sechs Finalpräsentationen liegen alle sehr, sehr eng beieinander und so wird oft längere Zeit diskutiert, wer denn am Ende als Sieger*in nach Hause geht. Ganz wichtig ist uns in den Diskussionen dann immer die Authentizität. Eine richtig gute Präsentation ist natürlich vorbereitet, aber sie sollte eben nicht auswendig gelernt wirken. Wenn ein*e Schüler*in wirklich vom eigenen Thema begeistert ist und man merkt, wie er*sie sich auf eine Sache eingelassen hat– dann macht es wirklich Spaß zuzuhören. Und es ist oft diese Begeisterung für ein Thema, die am Ende über den Sieg bei Jugend präsentiert entscheidet. Ich jedenfalls bin schon mehr als gespannt auf das Finale am Wochenende und freue mich auf hitzige Diskussionen im Jury-Raum!

Olaf Kramer